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Der Fall VW

Der Fall VW - Ende gut, alles gut ... ?

(BU/rf) Anfang Mai '05 liefen bei uns die ersten Meldungen ein, die uns auf ein diskriminierendes Anzeigenmotiv aus der aktuellen Werbung des VW-Konzerns für den neuen VW Polo an Plakatwänden und in Zeitschriften hinwiesen. Mit der Bildunterschrift „Der neue Polo. Beruhigend sicher“ wird eine Gruppe bedrohlich aussehender, colourtragender Motorradfahrer beim Überholen eines VW-Polos abgebildet. Auf dem Rücksitz schneidet ein kleiner Junge den Motorradfahrern Grimassen.
Per Telefon und email beschwerten sich die Leute über diese perfide Form der Verunglimpfung aller Motorradfahrer. Zudem brach im Forum unserer Homepage eine intensive Diskussion darüber los, was dagegen zu unternehmen sein. Interessanterweise kamen die heftigsten Reaktionen gerade aus dem Kreis der Mitglieder, die mit der MC-Szene eher wenig zu tun haben.
Für den BU-Vorstand war von Anfang an klar, daßss wir 19 Jahre nach dem Plakat der Innenminister „Sind sie sicher vor Gewalt ?“, das damals zur Gründung der BU führte, eine ähnliche Provokation nicht ohne Antwort lassen werden. Denn mit dem Anzeigenmotiv wird die Grenze zwischen origineller Werbung und der Diskriminierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe deutlich überschritten. Zudem geht es dabei um das Selbstverständnis der BU als Interessenvertretung der Biker, Rocker und Motorradfahrer.

Wesentlich schwieriger war die Antwort auf die Frage, was man tatsächlich unternehmen kann ohne lediglich in Aktionismus zu verfallen. Eine Motorraddemo vor den Toren von VW mag ja ganz nett sein. Wenn daran aber bestenfalls ein paar hundert Bikes teilnehmen, machen wir uns allenfalls lächerlich. Bei vielen der einlaufenden Vorschläge bestand zudem die Gefahr, das Gegenteil von dem zu erreichen, was eigentlich beabsichtigt ist.

Der BU-Vorstand hatte sich daher zu einem schrittweisen Vorgehen entschieden.Mitte Juni hatten wir ein Protestschreiben an den Vorsitzenden des VW-Konzernvorstands, Herrn Pischetsrieder, geschickt und diesen aufgefordert, das Anzeigenmotiv unverzüglich zurückzuziehen.

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Die Reaktion aus dem Hause VW war für uns ziemlich überraschend. Nach ca. 3 Wochen bekamen wir ein Antwortschreiben, in dem man bedauerte, dass wir uns angegriffen fühlen. Zudem sagt man zu, das Anzeigenmotiv ab August nicht mehr zu schalten. Allerdings war aus dem Schreiben nicht erkennbar, aus welchem Bereich des VW-Konzerns die Antwort stammte. Der fehlende Verweis auf den Adressaten unserer Beschwerde und die Tatsache, dass lediglich zwei Mitarbeiter mit Handlungsvollmacht (i.V.) unterschrieben hatten, machten zudem deutlich, dass dem VW-Konzern unser Protest eigentlich ziemlich egal ist. Indirekt wurde in der Antwort sogar noch einmal bestätigt, dass bei dem Anzeigenmotiv ganz bewusst das Klischee der „gefährlichen Rocker“ aufgegriffen wurde.
Anfang Juli überschlugen sich dann die Ereignisse. Zwischenzeitlich hatten sich auch die anderen in der MID Motorrad Initiative Deutschland e.V. zusammenarbeitenden Fahrerverbände unserem Protest angeschlossen.
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Zudem hatten die „Macher“ der Chris & Marty-Comics eine nette Persiflage auf die VW-Anzeige veröffentlicht, die wir Euch nicht vorenthalten wollen
.

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Wegen der ausbleibenden Antwort hatte auch die MID an Herrn Pischetsrieder geschrieben. Parallel dazu wurde seitens der MID der Deutsche Werberat eingeschaltet, eine Institution, die für die Einhaltung der Fairneßregeln in der Werbung zuständig ist und über weitreichende Kompetenzen verfügt.

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Darüber hinaus hatten sich einige BU-Mitglieder per Brief bzw. email beim VW-Konzern und auch bei Presseorganen, die die Anzeige abgedruckt hatten, beschwert.

Kaum war der Brief der MID auf den Weg gebracht, meldete sich telefonisch eine jungen Dame aus dem VW-Konzern, um zu erfahren, ob das VW-Schreiben unsere Bedenken zerstreut habe. Sie fiel aus allen Wolken, als wir ihr erklärten, dass das besagte Schreiben ziemlich genau das Gegenteil von dem erreicht hatte, was eigentlich beabsichtigt war. Sie versprach, sich in unserem Forum mal über die Stimmungslage sowie die Argumente unserer Mitglieder schlau zu machen und sich um eine angemessene Antwort auf das Schreiben der MID zu kümmern.

 
Am 22. Juli kam dann ein Schreiben des Deutschen Werberates, in dem uns mitgeteilt wurde, dass man unsere Einschätzung in Bezug auf die VW-Werbung nicht teilen würde.
Aus dem Vorwärts-Verlag bekamen wir auf einem Umweg einen etwas merkwürdigen Brief, in dem es hieß, dass der „Präsident der Biker Union bei Veröffentlichung der genannten Anzeige etwas mehr Gelassenheit an den Tag legen“ solle. Unsere „unangemessene Reaktion“ sei „kontraproduktiv“.

Ende Juli kam dann die Antwort des VW-Konzerns an die MID, in dem heftig zurückgerudert wurde. Form und Inhalt entsprachen nun dem, was man eigentlich schon nach dem ersten Protest hätte erwarten können. Damit haben wir erreicht, was wir erreichen wollten. Denn die mißglückte Werbeaktion ist nun einmal nicht ungeschehen zu machen.


Und die Moral von der Geschicht‘ ? Ende gut, alles gut ? Ja und nein. Der VW-Konzern hat durch sein zweites Schreiben gezeigt, dass er, wenn auch erst mit unserer wohlwollenden Unterstützung, durchaus lernfähig ist.


Und dem Deutschen Werberat und dem Vorwärts-Verlag haben wir unsere Ansicht mit Schreiben vom 30. Juli kundgetan

Damit wäre das Thema aber erst einmal erledigt.

Was bleibt, ist ein ganz anderer Kriegsschauplatz. Doc Baumann ist in seinem Editorial „Mein Senf“ in der Bikers News 7/2005 ausführlich auf die VW-Werbung eingegangen und hatte dort auch den Bezug zur Kampagne der Innenminister von 1986 hergestellt. Leider konnte er es sich nicht verkneifen, einen seiner, von uns so geschätzten Seitenhiebe auf die BU loszuwerden.


Mit dem Absatz „Zahllose Motorradfahrer sind stinksauer über das Motiv und haben uns das mitgeteilt. 1986 führte das Plakat noch zu einer Demo und kurz darauf zur Gründung der Biker Union. Die haben wir nun – aber auf den Seiten des Verbandes und in seinem Forum habe ich vergeblich nach einer Reaktion gesucht.“ hat er uns in aller Öffentlichkeit heftig ans Schienenbein getreten.

Leider hatte er dadurch aber auch die Grundregeln des fairen Journalismus außer acht gelassen. Denn bereits im Forum hätte er bei Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht nachlesen können, dass wir an der Sache dran sind. Und als seriöser Journalist wäre es seine Pflicht gewesen, vor der Veröffentlichung kritischer Äußerungen zur BU mal die Betroffenen zu den Fakten zu befragen.

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Auf diese Diskrepanz zwischen eigenem Anspruch und der Wirklichkeit hatten wir Doc in einem Leserbrief hingewiesen, der in der Ausgabe 8/2005 der BN auch abgedruckt wurde.

Doch statt einer ernst gemeinten Entschuldigung hat er in seinem Senf noch einmal nachgelegt. Neben der Verteidigung gegen Vorwürfe, die wir gar nicht erhoben hatten, und ein paar Krokodilstränen darüber, dass ihm im Forum wohl etwas entgangen sei, hat er wieder einmal ausführlich seine sattsam bekannten Vorwürfe, die BU habe sich von ihren Wurzeln entfernt, breitgetreten.
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Leider sind ihm aber auch hierbei ein paar grobe Schnitzer unterlaufen, die erneut die Frage nach der Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht aufwerfen. Wenn sich der Verfasser eines Editorials, das sich bei den meisten Lesern großer Beliebtheit erfreut, nicht einmal die Mühe macht, auf den Kern der gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzugehen und statt dessen wortgewaltig auf „alten Kamellen“ herumreitet, dann müsste es analog zum Deutschaufsatz schlichtweg heißen „Thema verfehlt“. Zudem muss man ihm offenbar noch einmal in Ruhe den Unterschied zwischen seriöser Interessenvertretung und wildem Aktionismus sowie die Bedeutung des Begriffs „Freiwilligenorganisation“ erklären.
Seine Aussage im Resümee seiner Philippika, „Eigentlich sollte man bei einer solchen Angelegenheit zusammen- und nicht gegeneinander arbeiten.“, müsste ihm noch wochenlang in den Ohren klingeln. Denn das Angebot der Zusammenarbeit bei dieser Art von Themen haben wir schon häufiger gegenüber der BN angesprochen, leider mit nur mäßigem Erfolg.
Wir müssen akzeptieren, dass ein kommerzielles Biker-Magazin im Konflikt zwischen der wirksamen Vertretung der Interessen seiner Leser und der publikumswirksamen Ausschlachtung seiner professionellen Möglichkeiten immer im Auge behalten muss, wie sich die eigene Auflage steigern läßt. Trotzdem gehört es zu den Grundsätzen des seriösen Journalismus, sich Informationen aus erster Hand zu beschaffen und im Fall der unterschiedlichen Bewertung von Fakten annähernde „Waffengleichheit“ zwischen den Kontrahenten herzustellen. Beides ist im vorliegenden Fall nicht geschehen.

Der letzte Kontakt zwischen Doc Baumann und den Verantwortlichen des BU-Vorstands ist Jahre her. Wir sind in dieser Angelegenheit weder um eine Stellungnahme noch um aktuelle Unterlagen gebeten worden. Damit kann sich Doc seine Meinung zur aktuellen Positionierung der BU bestenfalls auf der Basis von Hörensagen gebildet haben. Doc schreibt nachweislich falsche Behauptungen über die BU an prominenter Stelle auf Seite 3 in der BN. Wir sind bisher auf die Leserbriefseiten angewiesen, die viele Leute gar nicht lesen. Das sind Merkmale einer Berichterstattung, die landläufig unter dem Begriff „Bild-Zeitungs-Journalismus“ zusammengefasst werden.

Ärgerlich ist die ganze Sache aber noch aus ganz anderen Gründen. Wieder einmal wird ohne Not Zeit und Energie in einer Auseinandersetzung verpulvert, die mit einem einzigen Anruf aus der Welt zu schaffen wäre. Wir haben im aktuellen Konflikt mit Doc Baumann nicht agiert, sondern nur regiert. Seine Bemerkung im seinem Senf, dass wir ja auch hätten anrufen können, ist deshalb allenfalls peinlich.

Durch diese ungerechtfertigten Angriffe auf die BU wird unsere manchmal ziemlich mühsame Arbeit für die Szene und mit der Szene nachhaltig untergraben. Denn wenn die Szene in der BN aus vermeintlich kompetenter Feder liest, dass sich die BU im Laufe der Jahre weit von ihrer ursprünglichen Aufgabe entfernt habe, macht sich kaum einer die Mühe, das kritisch zu hinterfragen.

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