Am 15. Mai 2020 hat der Bundesrat auf Antrag der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen eine „Entschließung zur wirksamen Minderung und Kontrolle von Motorradlärm“ mit Mehrheit gebilligt. Darin wird die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, sich bei der EU-Kommission für eine Begrenzung der Geräuschemissionen von Motorrädern in allen Fahrzuständen auf einen Grenzwert von maximal 80 dB(A) einzusetzen. Zudem sollen Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen aus Gründen des Lärmschutzes angeordnet werden können. Darüber hinaus soll nach Rechtsverstößen von nicht ermittelbaren Fahrern die Führung eines Fahrtenbuchs und eine Halterhaftung eingeführt werden.
„Als ich das erste Mal vom Antrag der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen an den Bundesrat vom 10. März 2020 gehört habe, dachte ich zunächst an einen verfrühten April-Scherz“, so Rolf „Hilton“ Frieling, Vorsitzender der Biker Union e.V. „Daß der Bundesrat in nur zwei Monaten einen solchen Antrag dann durchpeitscht, ist nach unserer Kenntnis absolut rekordverdächtig. Dabei scheint den Verantwortlichen aber das Urteilsvermögen abhanden gekommen zu sein.“
„Natürlich wissen wir, daß es in einigen landschaftlich reizvollen Gegenden Probleme mit unzulässig lauten Motorrädern gibt“, so Frieling. „Deswegen arbeiten wir seit Jahren zusammen mit verschiedenen Gemeinden und Landkreisen an der Lösung des Problems. Denn fehlende Rücksichtnahme auf die Anwohner an stark befahrenen Motorradstrecken ist auch aus unserer Sicht kein Kavaliersdelikt. Dabei stellen wir jedoch immer wieder fest, daß auch getunte PKW und andere Geräuschquellen zu unzumutbaren Lärmbelästigungen der Anwohner führen. Wir wollen zwar nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Da der Bundesrat in seiner Entschließung aber ausschließlich Motorräder ins Visier nimmt, geht es offensichtlich nicht um die Sache. Statt dessen wird zur Hexenjagd auf Motorradfahrer geblasen.“
„Die Sperrung von Straßen nur für Motorräder aufgrund von Lärmbelästigungen wäre ein klarer Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Einführung der Sippenhaftung für die Masse der motorisierten Zweiradfahrer, die rücksichtsvoll fahren und sich an die Regeln halten. Das wäre völlig unverhältnismäßig“, so Frieling. „Eine Halterhaftung hat das Bundesverfassungsgericht zudem bereits im Jahr 1989 als verfassungswidrig erachtet.“
Manfred „Tedy“ Bach, Vorstandsmitglied der BU, ergänzt: „Der Forderungskatalog des Bundesrats läßt darauf schließen, daß Sachkompetenz bei dessen Formulierung Mangelware war. Ein absolutes Geräuschlimit von 80 dB(A) in allen Fahrzuständen würde das Ende des Verbrennungsmotors bei Motorrädern bedeuten. Denn im Gegensatz zum PKW sind die Möglichkeiten zur Geräuschvermeidung bei motorisierten Zweirädern bauartbedingt begrenzt. Selbst bei modernen Maschinen, die im Regelfall ausgesprochen leise sind, kann es Betriebszustände geben, die im realen Straßenverkehr zwar extrem selten vorkommen, in denen das Limit aber geringfügig überschritten würde. Selbst wenn ein solcher Grenzwert eingeführt würde: der würde nur für Neufahrzeuge gelten. Bei einem Fahrzeugbestand von derzeit ca. 4,4 Mio. zugelassenen Motorrädern würde es mindestens 10 bis 15 Jahre dauern, bis sich der auf den Straßen bemerkbar machen würde.“
„Moderne Motorräder sind nicht übermäßig laut“, so Bach weiter. „Das Problem sind illegale Auspuffanlagen. Dagegen muß man etwas tun, wenn man die Anwohner wirksam vor Lärm schützen will. Völlig abstrus wird es, wenn der Bundesrat Dinge fordert, die bereits heute geltendes Recht sind. Individuell vom Fahrer einstellbare Soundsysteme sind bereits heute verboten. Die Sicherstellung eines Fahrzeugs an Ort und Stelle bei gravierenden Überschreitungen der Lärmemissionen ist bereits heute möglich. Zudem verliert das Fahrzeug seine Betriebserlaubnis. Die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs nach Rechtsverstößen eines nicht ermittelbaren Fahrers ist gängige Praxis. Ein wirksames Meßverfahren zur Kontrolle von überlauten Motorrädern gibt es. Das wird in vielen Fällen aber gar nicht benötigt, weil die Manipulation nicht abgestritten wird. Die Bußgelder bei Veränderungen, die eine Steigerung der Lärmemissionen zur Folge haben, sind bereits vor Jahren auf Beträge angehoben worden, die nicht mehr als „Peanuts“ bezeichnet werden können. Es liegt in der Verantwortung der Bundesländer, diese Maßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzepts vor Ort umzusetzen. Genau daran fehlt es aber unter Verweis auf Personalmangel, was die Forderungen der Länderkammer endgültig ad absurdum führt.“
„Jetzt ist die Bundesregierung am Zug, auf den Forderungskatalog des Bundesrats zu reagieren“, so Frieling. „Die hatte bereits im Juni 2018 auf eine „Kleine Anfrage“ der Grünen, die ähnliche Forderungen aufgegriffen hatten, für Klarstellung gesorgt. Was bleibt, ist die Ratlosigkeit darüber, was den Bundesrat geritten hat. Der Forderungskatalog ist Populismus in Reinkultur. Wenn man wirklich etwas erreichen will, hätte man mal jemand fragen sollen, der sich mit so etwas auskennt, nämlich uns.“
Theme by Danetsoft and Danang Probo Sayekti inspired by Maksimer